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22.08.2014 - 11.10.2014

Ornament, Masse & Macht

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Auf den ersten Blick könnten die Werkgruppen der beiden jungen Lausanner Fotografen unterschiedlicher nicht sein: Cyril Porchet wendet sich Orten und Ereignissen zu, in denen opulente visuelle Eindrücke aufeinanderprallen, zu Mustern und Strukturen verschmelzen, die wir kaum mehr im Detail zu entziffern vermögen. Wir erkennen wogende Menschenmassen, Pilgerströme und Betende, die sich in durcheinanderwirbelnden Strömen heben und senken. Wir blicken auf gigantische Wände und Decken von barocken Kirchenräumen, in denen zwischen weissgoldenen Ornamenten Engel und Heilige die Wünsche der Gläubigen zum Himmel tragen. Oder entdecken Karnevalsköniginnen in Teneriffa, die auf ihren reich dekorierten Wagen in haushohen Prospekten beinahe verschwinden. Manchmal ist das Gebotene derart üppig, dass Porchet den visuellen Überfluss fotografisch reduziert und in schwarz-weisse Strukturen übersetzt. Doch gerade in dieser farblich «beruhigten» Variante stechen in den starren geometrischen und floralen Mustern die Brüche und menschlichen Unzulänglichkeiten besonders ins Auge. Die Königinnen mögen noch so blendend schön sein, irgendwie scheinen sie sich doch nie nahtlos in die idealisierte übersteigerte Ästhetik einzufügen. Und sei es nur, dass irgendwo eine kleine Fettfalte über einen glitzernden Bikiniteil schwappt oder uns einzelne Hautpartien wie matte Fehlstellen im rankenden, schwankenden Gesamtkunstwerk entgegenschimmern.

Johann Besse hat mit seiner Werkgruppe eine Typologie ostdeutscher Plattenbauten angelegt. Er geht von Ansichten normierter Hausfassaden aus, die er noch weiter reduziert, indem er die frontal aufgenommenen Hochhäuser von störenden Elementen – hereinragenden Bäumen oder Gebäudeteilen – befreit. Auf den ersten Blick wirken die Bauten erschreckend gleichförmig, doch im Vergleich zeigen sich kleinere Unterschiede. Mal sind die Platten zu Mustern gelegt, mal fehlen einzelne Teile oder wir erkennen Reste von Bemalungen. Immer ist der Zahn der Zeit dabei deutlich zu spüren. Die Bauten wirken ebenso veraltet wie die sozialen Utopien, die sie verkörpern.

Auch zwei weitere Fotoserien verweisen auf eine urbane Realität, die präsent und zugleich abwesend ist. Dabei handelt es sich einerseits um kreisrunde Scheiben, die sich nur dank der Titel als ‹Pfosten› erkennen lassen, und andererseits um Denkmäler, von denen jedoch nur noch der Sockel steht. Um alles Anekdotische abzudecken, was von den zerstörten Monumenten ablenken oder sie präziser kontextualisieren könnte, hat Besse ein Tuch um sie drapiert. So unterschiedlich die Serien der beiden Fotografen erscheinen mögen, so offenbaren sich bei genauerer Betrachtung doch überraschende Gemeinsamkeiten. Beide befassen sich in mehrjährig angelegten Recherchen mit ideologisch geprägten Architekturen und Strukturen – mal mit katholischen Kirchenschiffen, mal mit kommunistischen Wohnkasernen: Architekturen, in denen geistige Macht Form angenommen hat. Es geht um irdische und göttliche Ordnungen, um Symmetrie, Syntax, Gleichheit und Hierarchie. Sowohl Besse als auch Porchet arbeiten mit Zyklen zu Themen, die aus der Zeit gefallen scheinen. Die Karnevalsköniginnen, Barockkirchen oder Plattenbauten sind Ausdruck einer Epoche und doch nicht konkret zu verorten. Vielmehr geht es um eine unterschwellige Grammatik von Schönheit, Ordnung und Macht ­– sowie um deren Auflösung. Die Sommerausstellung wird von Katri Burri kuratiert. Text: Claudia Jolles.