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18.04.2013 - 21.06.2013

Fearless Genius. Die digitale Revolution im Silicon Valley

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15 Jahre lang, von 1985 bis 2000, dokumentierte der amerikanische Fotograf Doug Menuez (*1957) die Unternehmungen, Geschicke und Rituale eines abgeschotteten Stammes. Diesen Stamm aus Ingenieuren, Firmengründern und Investoren kennzeichnete trotz seiner Zurückgezogenheit ein aussergewöhnliches Sendungsbewusstsein, und seine Erfindungen liessen kaum einen Winkel der Erde unberührt. In einem Tal eine Stunde südlich von San Francisco entwickelte er Technologien, die unsere Kultur, unser Verhalten und unsere Art des Kommunizierens verändert haben. Ein Stamm mit einer unheimlichen Wirkkraft.

Doug Menuez begann sein Projekt 1985, als Steve Jobs bei seiner Firma Apple rausgedrängt wurde und auf seiner Suche nach Genugtuung damit begann, einen Supercomputer zu bauen, der das Bildungswesen revolutionieren sollte. Der charismatische Unternehmer Jobs verkörperte den freischwebenden Geist der Zeit. In ihm vereinten sich eine idealistische Hippie-Vision von Design mit den Weltraumambitionen der früheren Generation. Durch Steve Jobs erhoffte sich der Fotograf grundsätzliche Einsichten in den Geist, der das Silicon Valley zum weltweiten Nabel technologischer Innovation machte.

Doug Menuez heftete sich an die Fersen von Steve Jobs. Später stellte er sein ambitiöses Langzeitprojekt weiteren Schlüsselinnovatoren im Silicon Valley vor und erhielt so Zugang zu über siebzig Unternehmen. Trotz enormer Konkurrenz und Spionagegefahr – Doug Menuez vergleicht
das Klima im Valley mit dem „Kalten Krieg“ – ging er bei Apple, Sun, Netobjects, Adobe oder NeXT ein und aus, ohne je seine Unabhängigkeit und die Kontrolle über seine Bilder zu verlieren. Von Anfang an waren sie als Teil eines grösseren Ganzen gedacht. Bis er seine Arbeit im Jahr
2000 als abgeschlossen betrachtete, entstanden so 250‘000 Negative.

Während all dieser Zeit fotografierte er entlang derselben Grundsatzfragen: Was erleben Menschen, wenn sie das Unmögliche versuchen? Was bringt sie dazu, ihre Grenzen und Ängste zu überwinden? Was versetzt Menschen in die Lage, ihrem Leben Bedeutung zu geben, während andere sich mit wenig zufrieden geben? Steve Jobs war getrieben von dem übermenschlichen Anspruch, die Welt zu verändern. Ein Anspruch zwischen Vision und Wahn. Er wollte einen
Computer so leistungsfähig und billig machen, dass ein Student in seinem Zimmer damit Krebs heilen könnte.

Technologieentwicklung ist ein unfotografisches Thema. Sie passiert in den Köpfen. Dennoch geben die Fotografien von Doug Menuez detaillierten Aufschluss über den Alltag im Silicon Valley. Gesten, Stressreaktionen und Verhaltensmuster erzählen archetypische Geschichten von
Hingabe, Aufopferung, Erleuchtung, Ehrgeiz, Wahn, Fall und Verzweiflung. Die Bilder dokumentieren das Entstehen einer einzigartigen Subkultur von Geeks, Hackern und Nerds, von
den sozial unbeholfenen, aber extrem intelligenten Programmierern bis hin zu den multitaskenden Marketing-Leuten mit ihren Klapptelefonen. Der Titel „Fearless Genius“ – Furchtloses Genie – bezieht sich auf all jene Menschen im Silicon Valley, die mit wahrer Begabung gesegnet waren, in Kombination mit der furchtlosen Überzeugung, ihre Träume ungeachtet der Gefahr des Scheiterns wahr werden zu lassen. Viele riskierten alles: ihre Gesundheit, ihre Familie, ihren Job. Kein Opfer schien ihnen zu hoch, „alles zu verändern“. Ehen gingen zu Bruch, Mütter zogen ihre Babys im Büro auf, Programmierer drehten durch und nahmen sich gar das Leben. Milliarden Dollars wurden verdient. Die ungeheuren menschlichen Kosten der Technologieentwicklung verstehen wir bis heute nicht.

Die digitale Revolution im Silicon Valley hat nicht nur unseren Alltag verändert. Sie ist auch eine klassische Geschichte von Macht, Hybris und Fall. 1999 war der frühe Idealismus im Silicon Valley verschwunden. Er verwandelte sich in unnachhaltige Gier. Als die Dotcom-Blase ein Jahr später platzte, war dies das Ende einer Ära. An die Stelle technischer Durchbrüche traten ausbeuterische Börsengänge als primäres Handlungsmotiv. Der Fotograf sah den Zeitpunkt gekommen, sein Projekt zu beenden.

2004 kaufte die Stanford-Universität sein umfangreiches Archiv. Es ist ein Stück Zeitgeschichte. 7‘000 Bilder sind bis dato digitalisiert. In dieser Ausstellung sind einige Dutzend davon als Silbergelatine-Prints zu sehen. Es ist die erste Einzelpräsentation des Archivs überhaupt. Die
Ausstellung schlägt aber auch die Brücke in die Gegenwart: In diesem und im letzten Jahr kehrte Doug Menuez zu den Entscheidungsträgern und Schlüsselfiguren von damals zurück, um mit ihnen über die Vergangenheit und die Zukunft zu sprechen. Auszüge dieser Interviews sind als
Videoprojektionen in der Ausstellung zu sehen.

Die Ausstellung wird von Sascha Renner kuratiert.