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19.10.2017,18:30

Vernissage «From Here»

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Für die Ausstellung in der COALMINE arbeitete Andrea Gohl in diesem Jahr an einem neuen Projekt in Yorkville, einem Quartier in Manhattans Upper East Side, wo sie sich seit vielen Jahren regelmässig aufhält. Durch Veränderungen, persönliche wie auch gesellschaftliche, nutzt sie den Moment, um in einer Mischung von Vertrautheit und Ambivalenz dem Ort gegenüber, genauer hinzuschauen. Mit dieser Arbeit schliesst sie in an frühere ortsspezifische Recherchen an. Das Nebeneinander von Themen und Strukturen, die Differenz zwischen Orten und deren wechselseitige Beeinflussung interessieren sie dabei ebenso, wie unterschiedliche Zeitlichkeiten.

In der Ausstellung «From Here» vereint sind ein Essay-Film, eine Geschichte aus einem Archiv und eine fotografische Serie. Das Fenster agiert als immer wieder auftauchendes und somit verbindendes Element. Der Essay-Film «Five-Minute Walk» basiert auf einem Spaziergang der Autorin mit einem native New Yorker von der East 83rd Street zum East River. Auf dieser vertrauten Strecke findet eine gesprochene Reflexion über den Ort statt, die die Autorin später mittels drei unterschiedlichen Voiceovers über Videosequenzen verarbeitet und neu orchestriert. Unterschiedliche Stimmfarben, Wahrnehmungen, Perspektiven und Kontexte begegnen und reiben sich und treffen auf filmische Beobachtungen auf Strassen, Strassenecken, Park, Esplanade und Fluss. Das sind die Schauplätze, wo sich fragmentarisch Geschichten in Ton und Bild begegnen. Gohls Interesse liegt in der Art und Weise, wie sich Raum und Beziehungen zu Orten produzieren. Fragen nach individueller Präsenz, Körperlichkeit, Performance, Zufall und Erinnerung eröffnen sich sowohl in den gesprochenen Texten wie auch in den Beobachtungen im öffentlichen Raum.

Neben der ganz alltäglichen räumlichen Praxis, die oftmals flüchtig ist, greift die Autorin ebenso die Idee des Behausens und Verortens auf – durch die Art und Weise, wie Räume besetzt werden und durch das Verweilen von StadtbewohnerInnen oder schliesslich der Autorin selbst im öffentlichen Raum.
«Spite House», eine Geschichte aus dem Archiv, greift das Thema des Behausens und das Motiv des Fensters punktuell im Verweis auf einen frühen „real estate war“ (Grundstückkrieg) auf. An der Nordwest Ecke der East 82nd Street und der Lexington Avenue kommt es im ausgehenden 19. Jahrhundert zum Streit zwischen zwei benachbarten Grundstückbesitzern. Es geht um die Aussicht auf die Lexington Avenue, der damals neuen Verkehrsader durch Manhattan, auf welche die Fenster gerichtet sein sollen. Da sich die Beteiligten nicht über den Verkaufspreis des Grundstücks entlang der Avenue einigen konnten, verbaute der Besitzer dieses schmalen Grundstücks seinem Nachbarn die Fenster zur Strasse. So entstand – aus Trotz – das schmälste Haus Manhattans, in welchem Joseph Richardson, der Eigentümer, bis zu seinem Lebensende wohnte. Die Geschichte wird in den 80er Jahren wieder aufgegriffen und in einem fotografischen Auftrag wird die Veränderung an der Strasse festgehalten.
Während das Fenster in diesem Beispiel einen Imaginationsraum eröffnet, wird es in «Walk-Up No.1-11» in all seinen Mutationen selbst zur Schau gestellt und fungiert gleichsam als Spiegel der Stadt. Die fotografische Serie wurde rund um die East 83rd Street aufgenommen. Es sind Fenster von alten «Walk-Up Buildings» (Häuser ohne Lift, bis ca. 5 Stockwerke hoch) – zeitgezeichnete Oberflächen, verstaubte reflektierende Gläser, transformierte architektonische Elemente, Ornamente, Air Conditioner. Hier präsentiert sich das Fenster selbst. Sie erzählen von Anpassungen und Ausharren über Zeit, während sie in ihrer ungeplanten Ästhetik auch in sich geschlossene, selbstgenügsame Bilder sind. Diese Bilder zeugen ebenso von einem verschwindenden Baustil, einem verschwindenden New York.

«From Here» spielt auf unterschiedlichen Ebenen auf Fragen des Verortens von persönlicher Geschichte wie auch räumlichen Entwicklungen an. Bereits 2002/2003 zeigte Andrea Gohl in der COALMINE Arbeiten unter dem Titel «Zwischen Räumen». Fünfzehn Jahre später beschäftigt sich die Künstlerin immer noch mit Räumen und deren Präsenz und Wahrnehmung, nur ist ihr Blick inzwischen definitiv nach aussen gerichtet. 2016 zeigte sie das Langzeitprojekt «Endell Street» anlässlich der kantonalen Stipendien im Haus Konstruktiv in Zürich. Eine Arbeit, die sie in London entwickelte und 2015 in der Swiss Church an der Endell Street 79 zeigte, einem Ort, wo Glaubensgemeinschaften und Kunst regelmässig aufeinandertreffen. Während eines Jahres besuchte und befragte die Künstlerin Leute und Orte an der Endell Street in Covent Garden. Ausgangspunkt war die 1853 gebaute Swiss Church, in welcher sich Menschen und Geschichten treffen und begegnen. Damit gelang es ihr, einen aktuellen Zustand eines sich rasant entwickelnden Stadtteils einzufangen, auf der bildnerischen Ebene genauso wie auf der Gesprächsebene. Während dieser Stadtteil immer touristischer wird, stellen die Swiss Church, eine öffentliche Badeanstalt sowie ein Pub aus dem 19. Jahrhundert wichtige Bezugsorte für Anwohner und Durchreisende dar.