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30.01.2015 - 21.03.2015

Kodak City

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In der Werkserie KODAK CITY zeigt Catherine Leutenegger (*1983, Lausanne) die schwerwiegenden Folgen, die der Siegeszug der Digitalfotografie auf die Industriestadt Rochester (NY) hat. Von Rochester aus hatte George Eastman 1889 die ersten Fotofilme vermarktet und die Fotografie in alle Haushalte gebracht. 125 Jahre später ist der Ort gezeichnet vom Niedergang des Hauptarbeitgebers und dem Verlust Tausender Arbeitsplätze. Von 2007 bis ins Jahr 2012, als Kodak Insolvenz beantragte, erkundete Catherine Leutenegger die Firmenstandorte der Stadt, führte Gespräche mit Angestellten und Anwohnern und fotografierte die Überreste des Firmenimperiums. Entstanden ist ein melancholisches Zeugnis des Medienwandels. Die gloriose Hinterlassenschaft des Gelben Riesen und sein Niedergang manifestieren sich in den Strassen der Stadt und den Gesichtern der verbliebenen Bewohner.

Seit mehreren Jahren untersucht Catherine Leutenegger das Medium Fotografie und seine Produktionsbedingungen. Im Herbst 2005 begann sie ein Projekt, für das sie zahlreiche Fotostudios in der Romandie aufsuchte und in detaillierten fotografischen Bestandesaufnahmen dokumentierte. Ihre Absicht war es, die Haltung ihrer Berufskolleginnen und -kollegen gegenüber der Digitalisierung der Fotografie in Erfahrung zu bringen. Als Vertreterin der letzten Generation, die mit dem Fotofilm aufgewachsen ist, war es ihr ein Anliegen, diese fotografische Zeitenwende zu befragen. Die Bildserie “Hors-champ” (“ausserhalb des Bilderrahmens”) ist das überzeugende Resultat dieser Arbeit, das der Fotografin 2007 den Manor-Preis des Kantons Waadt einbrachte. Den Auswirkungen der Digitalisierung weiter folgend, begab sich Catherine Leutenegger dank eines Werkstipendiums nach New York und von dort nach Rochester (NY), in die Hauptstadt der Fotografie, auch „Kodak City” genannt. Am Sitz des Weltkonzerns setzte sie sich mit dem berühmtesten Unternehmen auseinander, das mit Fotografie in Verbindung gebracht wird. Ihr Ziel war es zu dokumentieren, wie der weltweit grösste Filmhersteller mit dem Medienwandel und dem Siegeszug der Digitalfotografie zurecht kam. Doch von Kodaks einstiger Grösse und Dominanz blieb wenig übrig: Weil er die Tragweite der digitalen Revolution verkannte, steckt der Konzern seit 1994 in einer tiefen Krise. Ironischerweise war Kodak ein Pionier der digitalen Fotografie, die er in seinen Laboren bereits in den Siebzigerjahren mitentwickelte. Doch verfolgte die Firma die Vermarktung in der entscheidenden Phase nicht weiter, verpasste den Anschluss und geriet in eine unternehmerische Abwärtsspirale, die 2012 in der Insolvenz endete. Seither hat die Firma über einen Drittel ihrer Gebäude abreissen lassen und 30’000 Stellen abgebaut.

Rochester steht in der vormals stolzen Tradition der „Company Towns“: Das Gedeihen der Stadt hängt wesentlich vom Geschäftsgang von Kodak ab. Entsprechend deutlich sind die Spuren des Niedergangs auf den Bildern von Catherine Leutenegger zu erkennen: Eine Abfolge leergefegter Strassen, heruntergekommene Geschäfte, zerfallende Häuser, darüber ein trauriger grauer Himmel prägen die Bilder. Die marode Fotofilm-Industrie spiegelt sich in der maroden Umgebung. Von weitem sieht der Hauptsitz des Unternehmens imposant aus. Je näher man jedoch kommt, desto deutlicher treten die riesigen, verlassenen Parkfelder ins Blickfeld. Das Innere der Firma zeugt von verflossener Grösse und von überholten Moden. Catherine Leuteneggers Arbeit untersucht die Auswirkungen der digitalen Revolution auf eine noch nicht gesehene, überraschende Weise: mit einem soziologischem Blick auf ihre Verlierer und Produktionsstätten. Sie berührt dabei Themen wie die Wirtschaftskrise und deren Folgen, Arbeitslosigkeit, Entvölkerung, Anstieg der Kriminalität. Ihr Werk setzt sich mit einem Abschnitt amerikanischer Industriegeschichte auseinander. Gleichzeitig reflektiert sie darin ihren eigenen Berufsalltag als Fotografin und Künstlerin, der sich grundlegend gewandelt hat.

Mit ihrer Arbeit legt sie eine Bestandsaufnahme der Fotografie, ihrer materiellen Beschaffenheit und wirtschaftlichen Grundlagen an einem Wendepunkt der Geschichte dar, dem einschneidendsten wohl, seit George Eastman dem Fotofilm im vorletzten Jahrhundert zum Siegeszug verhalf. 2012, als Kodak Insolvenz beantragte, kehrte die Fotografin nach Rochester zurück, um das vorläufig letzte Kapitel der Firma als Chronistin zu schreiben. Die Bilder sind 2014 unter dem Titel „Kodak City“ als Buch im Kehrer-Verlag erschienen (Autoren: A. D. Coleman, Catherine Leutenegger, Joerg Bader, Urs Stahel). Die Ausstellung in der COALMINE umfasst eine ca. 35-teilige Serie von Bildern und stellt die erste Einzelausstellung von Catherine Leutenegger in der Deutschschweiz dar. Catherine Leutenegger studierte Fotografie an der Ecole Cantonale d’art de Lausanne (ECAL). Sie wurde mit dem Eidgenössischen Preis für Design und dem Manor-Kunstpreis ausgezeichnet. Ihre Bilder wurden international ausgestellt und publiziert, darunter im Musée de l’Elysée, Lausanne; Bieler Fototage; Galleria Carla Sozzani, Mailand; Aperture Gallery, New York; EXIT Magazine; The British Journal of Photography; Photo District News. 2007 nahm sie an einem Künstler-Residenz-Programm in New York teil und begann mit dem Projekt Kodak City in Rochester. www.cleutenegger.com Die Ausstellung wird von Sascha Renner kuratiert. Mit Unterstützung von: Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung, Dr. Georg und Josi Guggenheim-Stiftung, Kanton Waadt.