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26.04.2019,18:30 - 21:00

Ferox, The Forgotten Archives – Vernissage

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19 Uhr: Einführung mit Nicolas Polli und Sascha Renner, Kurator

Täglich begegnen wir Bildern, die wir nicht überprüfen können. Seien es Fotografien aus Kriegsgebieten, die für Zivilisten kaum betretbar sind, seien es Astrofotografien, die ferne Gestirne oder Raumfahrtmissionen darstellen: Wir sind aufgefordert, ihnen Glauben zu schenken. Selber verifizieren können wir sie nicht, weil es dazu teurer Apparaturen oder der Augenzeugenschaft bedarf. Aber was bringt uns dazu, einem Bild zu vertrauen oder sie in Zweifel zu ziehen? Was kennzeichnet Dokumentarismen in der Fotografie?

Eine künstlerische Versuchsanordnung
Fragen wie diese haben Nicolas Polli zu einem künstlerischen Experiment angeregt: Würde es möglich sein, einen wissenschaftlichen Archivbestand zu «erfinden» und als echt auszugeben? Ende 2016 – just in jenem Jahr, als «Fake News» zum Anglizismus des Jahres gekürt wurde – begann er damit, seine Hypothese mit einer umfangreichen Versuchsanordnung zu überprüfen. Er erschuf eine eigene Raumfahrtagentur, die IEMS (für «International Exploration for the Mars Surroundings»). Zwischen 1976 und 2010 arbeiteten Wissenschaftler aus mehreren europäischen Ländern für das zivile Forschungsprogramm. Ausgehend von einem rätselhaften Meteoritenfund in den Schweizer Alpen, suchten sie nach dessen Ursprung und entdeckten dabei Ferox. Die Mission, den neuen Himmelskörper mit einem Rover zu erkunden, scheiterte jedoch, und die Agentur wurde aufgelöst.

Erhalten geblieben ist das Archiv: eine umfassende Dokumentation aller Aktivitäten der IEMS, einschliesslich einer Vielzahl wissenschaftlicher Fotografien und Analysen, Renderings und Datensammlungen. In einer 336-seitigen Publikation (erschienen 2018 im Verlag Skinnerboox/Ciao Press) arbeitete Nicolas Polli dieses Material erstmals auf.

Camouflage, Mimikry, Überzeichnung
Die Ausstellung in der COALMINE konfrontiert die Besucher mit der Fülle dieses Archivs und führt sie gleichzeitig auf einen Weg der zunehmenden Verunsicherung. Die sachlich-nüchterne Bildsprache, die technischen Apparaturen und Diagramme, die Mikro- und Makroaufnahmen, das Fachvokabular und die schiere Menge an Dokumenten untermauern den Wahrheitsanspruch. Sämtliche Elemente der Präsentation verbinden sich zu einem glaubwürdigen Narrativ, das jedoch bei genauerer Betrachtung Risse und Inkongruenzen offenbart.

 Das Projekt versucht Sprach- und Bildpolitiken aufzudecken, wie sie im Kraftfeld des wissenschaftlichen, medialen und politischen Systems verwendet werden. Es eignet sich dessen visuelle Register an und hebt sie durch die Mittel des Mimikry, der Überzeichnung und der Konspiration ins Bewusstsein. Mit einem Augenzwinkern, analytischem Spürsinn und enormer Schöpfungskraft leistet Nicolas Polli damit einen künstlerischen Beitrag zu einigen der relevantesten gesellschaftspolitischen Themen unserer Zeit.

Mit grosszügiger Unterstützung von Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung, und der Dr. Georg und Josi Guggenheim-Stiftung.