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20.01.2017 - 18.03.2017

Colombia – On The Brink Of Paradise

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Vernissage: Donnerstag, 19. Januar 2017, ab 18.30 Uhr
19 Uhr Gespräch von Roland Schulz (Süddeutsche Zeitung Magazin) mit Luca Zanetti

Der Schweizer Luca Zanetti (*1971 in Mendrisio) ist ein versierter Kenner Kolumbiens, das im Zuge mehrerer Reisen zu seiner Wahlheimat geworden ist. Seine kühnen Reportagen zeigen ein gespaltenes Land voller Vielfalt, Schönheit und staunenswerter Geschichten, aber auch zerrüttet von einem jahrzehntelangen Bürger- und Drogenkrieg. In zahlreichen Facetten führt der Fotograf das Los der Landbevölkerung und die Folgen der ungleichen Verteilung von Grundbesitz als Hindernis für den Frieden vor Augen. Die Ausstellung bietet erstmals einen umfassenden Einblick in dieses bedeutende, im Jahr 2000 begonnene Langzeitprojekt, wenige Monate nach der Aushandlung des Friedensabkommens, das dem 52-jährigen kolumbianischen Konflikt ein Ende setzen soll.

Wie kaum ein ausländischer Beobachter verfolgt Luca Zanetti die Geschicke Kolumbiens aus nächster Nähe, durchmisst das Land von der Küste der Karibik über die Anden bis in den Dschungel Amazoniens und wagt sich dabei in entlegene Gebiete vor. Stets auf der Suche nach Spuren und Erklärungsansätzen für das Konfliktgemenge, hat er sich zum Chronisten der Geschichte(n) des lateinamerikanischen Landes gemacht. Kolumbien erachtet der Fotograf «an der Schwelle zum Paradies»: reich an Ressourcen, doch von sozialer Ungerechtigkeit und Gewalt daran gehindert, sein Potenzial zu realisieren. Die Ausstellung trägt dieser Ambivalenz nicht nur im Titel Rechnung, sondern auch in der Gestaltung: Stille, idyllische Landschaften wechseln mit narrativen Bildern und Reportagen ab. So begleiten wir Luca Zanetti dabei, wie er staatlichen Spezialeinheiten bei Angriffen auf versteckte Drogenlabors folgt («War on Drugs», 2005). Kolumbien beherrscht den weltweiten Kokainmarkt auf der Angebotsseite zu etwa 80 Prozent. Unter Druck der USA dringt das kolumbianische Militär periodisch in den Dschungel ein und verwüstet die Plantagen. Darunter leiden vor allem die Coca-Bauern – sie sind das schwächste Glied in der Drogenindustrie. Ihrer Erwerbsgrundlage beraubt, stossen sie zum Heer der landlosen Vertriebenen («Forced Displacement», 2009). Derweil machen die Drogenkartelle hohe Profite, indem sie das Kokain in selbstgebauten Schmuggel-U-Booten ausser Land schaffen («Narco Sub Culture», 2011).

Luca Zanettis Aufmerksamkeit gilt sowohl den Gewinnern als auch den Opfern des Bürgerkriegs. So begleitete er Gerichtsmediziner bei der Suche nach geheimen Gräbern. Rund 200’000 Menschen haben seit 1964 im gewaltsamen Konflikt ihr Leben verloren. Zanettis Bilder zeigen Forensiker der Regierung bei der Suche nach Leichen, oft mitten im Kriegsgebiet. Sie dokumentieren die Exhumierung menschlicher Überreste und die dramatischen Szenen bei ihrer Übergabe an Verwandte während sogenannter Versöhnungszeremonien («The Truth Need Allies», 2010). Luca Zanettis Bilder zeigen ein Land im Konflikt – nicht nur zwischen Staat und Guerilla, sondern auch zwischen Tradition und Moderne, Vergangenheit und Zukunft. Im Jahr 2006 war eine Gruppe von 76 Nukak-Makú, Angehörige eines indigenen Volks ohne Kontakt zur Aussenwelt, aus dem Regenwald geflohen – die Köpfe kahl geschoren, die Gesichter mit geheimnisvollen Farben gezeichnet. Sie waren in das Kreuzfeuer von Staat, Guerilla und Paramilitärs geraten. Nach Tagen im Lager begann Zanetti, die Nukak mitten im Regenwald, aber vor einer Leinwand zu fotografieren – ein Zwischenbereich, in das die Nukak in Altkleidern, aber mit der Gesichtsbemalung der Ahnen traten («Leaving The Wild», 2006).

Mit Bedacht und vorurteilsfrei fotografierte Luca Zanetti auch Kämpfer des ELN, der zweitgrössten kolumbianischen Guerillabewegung («Disciples of Che Guevara», 2007) sowie Bergarbeiter in den umkämpften Smaragd-Mienen («Emerald Mines», 2004). Mit über fünfzig Bildern gibt die Ausstellung einen umfassenden Einblick in Zanettis fotografische Langzeitstudie, in die aktuelle Verfassung Kolumbiens und in seine Geschichte.

Die Ausstellung wird kuratiert von Sascha Renner.
Luca Zanettis Arbeit wurde durch einen Ankauf der Freunde der Fotostiftung Schweiz gefördert.
Ein Buch von Luca Zanetti erscheint im Herbst 2017 im Verlag Scheidegger&Spiess.

Über den Autor
Luca Zanetti ist eine der massgeblichen Stimmen der Reportagefotografie aus der Schweiz. Als Sohn eines Journalisten und der Fotografin Pia Zanetti ist er inmitten von Bildern aufgewachsen. Seit 1991 war er Mitglied der Schweizer Fotografenagentur Lookat Photos. Von 1990 bis 1994 besuchte er die Fotoklasse der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich (heute ZHdK). Er ist Mitglied der Agentur Laif. Seine Bilder und Reportagen erscheinen regelmässig in Pressetiteln weltweit, darunter The New York Times, Der Spiegel, Stern, Geo, Time, SZ Magazin und Monocle. 2010 wurde seine Arbeit «The Truth Needs Allies» mit einem Swiss Design Award ausgezeichnet. Luca Zanetti wohnt in Zürich und Bogotà, Kolumbien.

Veranstaltung
Öffentliche Führung mit Luca Zanetti: Samstag, 28. Januar 2017, 12 Uhr